Sonntag, 24. Juni 2007

Einleitung: Was ist Mystik?

... und wen kann man einen Mystiker nennen? Die landläufigen Vorstellungen darüber sind schillernd und ganz unterschiedlich: Mystiker sind angeblich ganz besondere und von Gott auserwählte Menschen. Es gibt nicht viele Mystiker. Ihnen werden von Gott besondere Gaben und Erfahrungen geschenkt. Mystiker haben Visionen und fallen in Extase. Mystiker sind Gefühlsmenschen. Mystiker sind introvertiert und ziehen sich aus der Welt zurück. Sie leben im Kloster oder in ihrer Eremitage irgendwo im Wald. Von Christen hört man vielfach die Anfrage, ob Mystik nicht der Versuch ist, an Jesus und seinem Kreuzestod vorbei zu Gott zu kommen. Man fragt sich, was die "unio mystica" ist. Mystiker haben Extraoffenbarungen über die Herkunft des Bösen, die Schöpfung oder die Trinität Gottes. In der Mystik zählen innere Erfahrungen mehr als das offenbarte Wort Gottes in der Bibel.

In der nächsten Zeit will ich ein paar grundsätzliche Gedanken zu christlicher Mystik zusammenfassen. Es soll hier also nicht um Mystik aus den anderen Religionen wie dem Islam (Sufismus) oder aus dem fernen Osten gehen. Auch nicht darum, welche Gemeinsamkeiten unser Gebetsleben mit dem der Hindus hat und wie sich Christen und Gläubige anderer Religionen gegenseitig ihre Spiritualität bereichern können. Eben fand ich im Netz einen blog, der mir da zu viel durcheinander warf. JESUS ist die Mitte und er bleibt der Weg zu Gott!



Zur Begrifflichkeit: Das Wort „Mystik“ gibt es noch nicht so lange; im 17. Jahrhundert setzte es sich als Abkürzung für "mystische Theologie" durch, was wiederum zum ersten Mal in einer Schrift namens "De Mystica Theologia" von Dionysius Areopagita auftauchte. Lange hielt man ihn fälschlich für den in der Apostelgeschichte 17, 34 genannten Dionysius. Wie man heute recht sicher weiß, lebte er um 500 n. Chr. Vielleicht wollte er seinen Schriften durch einen in der Bibel erwähnten Namen mehr Gewicht geben (Pseudepigraphie).


Ich sehe zwei Möglichkeiten, mit denen man den Begriff „Mystik“ von seiner Wortbedeutung her genauer erklären kann.


1) "Mystik" kommt wohl von „myein“, was im Griechischen "den Mund schließen“ bedeutet. Sprachlich hängt dies mit „mysterion“ = Geheimnis zusammen. In der Antike gab es unzählige „Mysterienkulten“, deren Teilnehmer unter allen Umständen dazu verpflichtet waren, "Stillschweigen" über ihre Treffen und die darin gefeierten Riten zu bewahren. Solche Kulte waren nicht für die Allgemeinheit; so hatten alle Eingeweihten "den Mund zu halten" und durften "niemanden etwas darüber verraten". „Mystik“ also eine geheime Angelegenheit für einige Wenige?

2) Mir erscheint eine zweite Herleitung sinnvoller: „Myein“ kann man auch als ein „Verschließen der Sinne" vor der Welt verstehen und als ein "Nichtachthaben" auf all ihre Einflüssen, die die Aufmerksamkeit von Gott und die Gedanken an ihn verhindern und auf andere Dinge lenken wollen. Die Wahrnehmung des Menschen für alles, was um ihn herum geschieht, wird in mystischen Schriften oft mit einem Fenster verglichen, aus dem man nicht so gespannt heraus und in die Welt schauen soll. Viel eher soll man darauf achthaben, was Gott, der durch seinen heiligen Geist in den Gläubigen wohnt, in der Seele wirkt und reden will.

Thomas von Kempen schreibt dies in seiner bekannten „Nachfolge Christi“ so: Ich will „hören, was der Herr, mein Gott, in mir spricht ... Selig die Ohren, die ... auf das Gezischel der Welt nicht achten. Erst recht selig die Ohren, die nicht horchen auf die Stimme, die von außen her schallt ... Selig die Augen, die für das Äußere verschlossen und für das Innere geöffnet sind! ... Nimm das wohl zu Herzen, meine Seele, und schließe die Tore deiner Sinnlichkeit ...


Mutter Teresa spricht in ihrem Büchlein „Beschaulich inmitten der Welt“ von einem Schweigen der Augen, die alles sehen wollen, von einem Schweigen der Ohren, die immer so gespitzt sind und davon, sich die Ruhe in Gott nicht durch Wissbegierigkeit nehmen zu lassen.


Gerhard Tersteegen dichtete: "Aug´, Ohr´ und Zunge sind die Türen, die dich so leicht von Gott abführen; gehst du zuviel durch sie hinaus, so bringst du Unruh´ mit nach Haus."


In den Lebensbeschreibungen dieser sogenannter Mystiker sah das Verschließen der Sinne in der Praxis mehr oder weniger asketisch aus: Sie gaben all ihre Habe an die Armen aus, weil sie das viele Geld nicht auf Gott allein vertrauen ließ. Zwischenmenschliche Kontakte wurden bis auf ein Minimum heruntergeschraubt oder gleich eine kleine, einsame Hütte in der Einöde bezogen. Gregorius Lopez wanderte sogar nach Mexico aus, weil er dort unbekannt sein und keine Beziehungen haben würde. So erhoffte er, volle Aufmerksamkeit für Gott zu haben. Ritteromane wurden gegen Erbauungsschriften, Heiligenbiografien und die Bibel ausgetauscht. Junge Männer und Frauen wählten die Ehelosigkeit, um sich mit Jesus zu vermählen. Auf Anerkennung und Ehre bei Menschen wurde nicht viel geachtet, weil man bei Gott in Ehren sein wollte. Mancher machte extra in den Augen anderer unsinnige Dinge, nur um verachtet zu sein. Verwitwete gingen in ein Kloster, wenn sie den Zug verspürten, sich Gott ganz hinzugeben. Manche fasteten sich halb zu Tode, weil ihnen Gebet und Bibel genug Nahrung waren. Dem Körper sollte so möglichst wenig zu Essen gegeben werden, damit die göttliche Speise (z.B. Gebet und Bibelbetrachtung) allein die Seele nährt.


Alles, was nicht dazu half, auf Gott und sein Wirken zu achten, wurde abgelegt. Hobbies und Besitz, Menschen und Freuden, denen man sonst Aufmerksamkeit geschenkt hatte und die einem eine Sicherheit waren, wurden nun nicht mehr wert geachtet. Wachsamkeit für das Reden Gottes und sein Führen wurde das Ziel. Abhängigkeit von ihm war der tiefste Wunsch.


Zusammenfassend und vereinfacht kann man also sagen: Mystiker sind Menschen, die sich ganz auf Gott ausrichten und sich nicht mit anderen Ablenkungen abgeben. Sie wollen nur für ihn sein. Sie sind bereit, zu verzichten und gering zu schätzen, was bisher wichtig und wertvoll war. Mystiker lieben Gott mehr als die Dinge der Welt. Mystiker wollen Gott selbst.



Soweit der erste Anlauf, Mystik zu definieren. Aber es geht weiter: Wer galt in der Vergangenheit als Mystiker? Will Gott Mystiker? Sind Christen Mystiker? Im nächsten Teil dieser Reihe kommt Gerhard Tersteegen zu Wort. Als er gefragt wurde, was denn Mystik nun sei, antwortete er: "Ganz für Gott sein, ist das wahre Geheimnis des inwendigen (mystischen) Lebens, ein Christenleben, wovon sich die Leute so seltsame und fürchterliche Bilder machen.

2 Kommentare:

dagobert rick hat gesagt…

danke für den beitrag! senf

Anonym hat gesagt…

hallo senf ... interssierst du dich mehr für dieses schöne thema? hier noch ein weiterer eintrag: http://gottistmituns.blogspot.com/2007/07/was-ist-mystik.html


herzliche grüße
jesus ist mit dir

martin