Freitag, 18. Mai 2007

Am Anfang kostet es ein wenig Mühe: Von der Vergegenwärtigung Gottes

Vor drei Jahren fand ich in einer Bücherkiste ein altes, vergilbtes Buch; mit silbernen Buchstaben stand darauf: „Ein Auszug aus Gerhard Tersteegen´s auserlesenen Lebensbeschreibungen heiliger Seelen“. Darin waren Biografien von vor allem katholischen Christen zusammengestellt. Den Namen Franz von Assisi kannte ich; die der anderen hatte ich noch nie gehört: Bruder Lorenz, Dr. Tauler, Heinrich Suso, Nikolaus von der Flüe und Katharina von Siena. Ich schlug das Buch auf und seither liegt es immer in Reichweite: mein Beten hat es grundlegend verändert.

Die dort beschriebenen Menschen hatten so viel Leid und Krankheit erfahren und darin fest auf ihren Herrn Jesus vertraut und erlebt, wie er ihnen in aller Anfechtung treu zu Seite stand und ihnen einen tiefen inneren Frieden schenkte. Gerade in dunklen Stunden hatte Gott ihnen einen Trost gegeben, der sie alle ihre Sorge sogar annehmen und willig ertragen ließ. So erfuhr zum Beispiel Heinrich Suso nach einer langen Zeit des Aushaltens Gottes Zuwendung: „Gott erquickte ihn ... mit einem unaussprechlichen Friedensgefühl und erfüllte sein Herz mit so viel Licht und Gnade, dass er ihn für dieses Leiden innigst lobte ... Der Herr gab ihm nämlich zu erkennen, dass er durch die Trübsalhitze mehr von der Eigenliebe geläutert und inniger mit Gott vereinigt worden sei ...“

Ich hatte zu der Zeit meine ersten heftigen Glaubenskämpfe, betete um persönliche Erweckung und krampfte irgendwo zwischen mein Wille und dein Wille geschehe. Und nun las ich hier von Christen in wirklichen Nöten, die gerade in den Schwierigkeiten Gottes Nähe erlebten, ihm dadurch viel näher kamen und im Glauben gefestigt wurden. Dies wollte ich so gern auch: Friedensgefühle.

Die Biografie des Bruder Lorenz hat mich ganz besonders angesprochen; sie ist überschrieben mit: „Der Wandel vor Gott“. Dieser Kamelitermönch lebte in einem Pariser Kloster und übte sich Zeit seines Lebens darin, bei allen anstehenden Tätigkeiten und Pflichten zu jeder Tages – und Nachtzeit an die Gegenwart Gottes zu denken. „Er wollte in Gott, mit Gott und vor Gott leben, sich den lebendigen Gott stets vergegenwärtigen; und darin übte er sich an allen Orten“. Er wollte seinen Herrn Jesus allezeit vor Augen haben (Psalm 16, 8). Dass diese Übung überhaupt nicht kompliziert, sondern ganz leicht und für jeden möglich und umzusetzen sei, wurde mit schlichten Worten betont: „Die stete Vergegenwärtigung Gottes und der damit verknüpfte Wandel vor Gott ist für jedermann die leichteste, einfachste und liebreichste, sowie die heilsamste und nützlichste Übung ... Eine kleine Erhebung des Herzens ist genug ... ein kurzes Andenken an Gott, eine innere Anbetung ... zu jeder Zeit, in der Küche und im Keller, in der Kirche und in der Kammer, in gesunden Tagen und unter den heftigsten Schmerzen in Krankheit.“

Die Übung bestand also darin, den Tag über immer wieder und in kleine Abständen innezuhalten, die Gedanken kurz auf Jesus auszurichten, diese zu einem kleinen Gebet zu machen und dann in den anstehenden Arbeiten fortzufahren.

Und dann las ich: „Am Anfang kostet es ein wenig Mühe, um die feste Gewohnheit zu erlangen ...“

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